#19 Veränderung ist weiblich

Viele Wirtschaftsmagazine sind derzeit voll mit Porträts von Frauen in Top-Positionen und auch Institutionen wie das Zukunftsinstitut sprechen vom „Female Shift“, wonach der Einfluss von Frauen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik immer größer wird. Dahinter steht sicherlich ein Trend, der durch die viel diskutierte Frauenquote, Anlässe wie den Weltfrauentag und die wachsende Ambition junger Frauen, die Karriereleiter nach oben zu klettern, angeheizt wird. Doch ich vermute noch einen anderen Grund: Qualitäten, die eher Frauen zugeschrieben werden, sind jetzt – in dieser Zeit des Wandels und der Krise – enorm wichtige Kompetenzen, um mit den großen Veränderungen dieser Zeit umgehen zu können.

Frauen kennen Veränderung wie ihre Westentasche – sie bewegen sich im Laufe ihres Lebens in natürlichen Zyklen und emotionalen Schwankungen. Ich habe mich in meiner Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Frauen und durchaus auch bei mir selbst auf die Suche begeben, welche Stärken Frauen mitbringen, die sie für die Zukunft der nachhaltig erfolgreichen Unternehmen unentbehrlich machen.  Hier sind fünf davon:

Frauen sprechen heikle Themen an

Frauen sind in unterschiedlichsten Beziehungen oft für die Weiterentwicklung zuständig. Dafür ist es wichtig, rechtzeitig heikle Themen anzusprechen, anstatt sie unter den Tisch fallen zu lassen. Diese Eigenschaft ist zu Beginn eines Change Prozesses manchmal ein regelrechter Segen, denn nur wenn die Situation ehrlich beleuchtet wird und auch die Tabu-Themen sichtbar werden, kann man passende Maßnahmen in Richtung eines Veränderungszieles beschließen.

Frauen hören zu

Ebenfalls wichtig für den Start eines Change Prozesses ist die Fähigkeit, wertfrei zuzuhören. Während die männliche Qualität gerne sofort aktiv wird, sobald die ersten Worte vernommen wurden, hat die weibliche Qualität deutlich mehr Zeit fürs Zuhören. Dies bringt einen enormen Informationsvorsprung und nebenbei fühlen sich Menschen sehr wertgeschätzt und angenommen, wenn sich jemand möglichst wertfrei auf ihre Geschichte einlässt.

Frauen sind emotional

Nachdem Frauen meist selbst gut auf dem Gefühlsklavier spielen können, sind sie meist auch nicht überrascht, wenn andere emotional werden. Spinnt jemand, hören sie kurz zu und kehren zurück zur Sache. Hat jemand Angst vor den Neuerungen, sind sie verständnisvoll und mitfühlend und erklären noch einmal das Projektziel. Freut sich jemand, freuen sie sich mit! Wenn Gefühle in Change Projekten auftauchen, wird es in vielen Organisationen schwierig – Frauen sind hier eigentlich in ihrem Element und eine natürliche Stütze für alle Beteiligten!

Frauen beziehen andere ein

Ich weiß, Frauen haben den Ruf, Zickenkriege anzuzetteln. Ich kann das aus meiner Erfahrung allerdings nicht bestätigen, sondern erlebe Frauen als Personen, die andere Menschen gerne einbinden, um Rat fragen und kooperieren. Dieser ganzheitliche Blick und das Verständnis für verschiedene Perspektiven schaffen enormes Vertrauen bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und sorgen für die notwendige Motivation in komplexen Veränderungsprozessen.

Frauen sind zäh

Und schließlich haben Frauen noch eine ganz wichtige Eigenschaft für Change-Projekte: Sie sind zäh, ausdauernd und hartnäckig und gemeinsam mit dem ihnen eigenen Organisationtalent, mit dem sie auch Business, Familie, Sport und sonstiges unter einen Hut zaubern, gelingt es ihnen sicherlich auch in Veränderungsprozessen, die Menschen in der Organisation konsequent in eine neue Richtung zu begleiten.

Männer werden jetzt vermutlich anmerken, dass auch sie all diese Eigenschaften haben und das stimmt auch. Jeder Mann hat weibliche Qualitäten in sich und umgekehrt haben auch Frauen männliche Qualitäten in sich. Dennoch sind die genannten Eigenschaften jene, die ich bei vielen Frauen als Stärken in Veränderungen beobachtet habe und auch mir selbst im Change Management bereits wertvolle Dienste geleistet haben.

Liebe Frauen, bitte bringt eure Stärken jetzt in die Wirtschaft ein, sie werden gebraucht! Es ist keine Selbstverständlichkeit, aufmerksam zuzuhören, Klartext zu reden, andere vertrauensvoll in wichtige Projekte einzubeziehen und bis zum Schluss durchzuhalten – dies sind wertvolle Qualitäten, die geschätzt und honoriert werden dürfen!

Herzliche Grüße,

Mira Meiler

 

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#18 Wollen Sie großartige Mitarbeiter? Dann machen Sie sich kleiner!

Vielen Führungskräfte wollen, dass ihre Leute mitziehen, initiativ sind und fürs gesamte Unternehmen mitdenken. Meine Frage dazu lautet: Wollen Sie das wirklich? Wollen Sie wirklich diese großartigen, selbstverantwortlichen und motivierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die die Firma rocken? Dann müssen Sie vielleicht auf einige liebgewonnene Gewohnheiten verzichten, z.B. …

Mitarbeiter wie Maschinen behandeln

Heinz von Foerster prägte den Begriff der trivialen bzw. nicht-trivialen Maschine. Triviale Maschinen liefern auf denselben Input immer den gleichen Output. Nichttriviale Maschinen liefern auf denselben Input einmal diesen, einmal einen anderen Output. Der Mensch ist eindeutig zweiteres und daher ein wenig unberechenbar im Ergebnis. Dabei wäre alles so einfach, wenn die Menschen wie Maschinen funktionieren würden! Das Dumme ist nur: Wenn Menschen wie Maschinen wären, würden Sie als Führungskraft maximal das Ergebnis bekommen, das Sie sich wünschen. Aber nie mehr! Probieren Sie einmal aus, welche Ergebnisse Sie bekommen, wenn Sie 100% in das bestmögliche Ergebnis vertrauen. Wenn Sie zwar ein Ziel vorgeben, doch den Weg dahin völlig frei lassen und das Ziel vielleicht sogar über-erreicht wird. Doch bitte nicht in folgendes Verhalten kippen …

Die Mitarbeiter einfach machen lassen

In Organisationen habe ich bereits ein paar Mal erlebt, dass Führungskräfte mit dem Wunsch nach eigenverantwortlicheren Mitarbeitern einfach aufhörten, zu führen. Ich finde das sehr mutig. Mitarbeiter, die es gewohnt sind, klare Anweisungen zu bekommen und sich plötzlich unter dem Deckmantel „Selbstorganisation“ in einem Vakuum wiederfinden, werden vermutlich weiter ihrer Arbeit nachgehen, doch nicht sehr zielgerichtet. Zu empfehlen ist daher, zunächst über die geplante Umstellung zu sprechen und Rahmen oder Settings zu finden, die dennoch genug Orientierung geben. Wenn die große Richtung klar ist und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wissen, in welchem Rahmen sie sich frei bewegen können, dann kann sich auch ihr Potential voll entfalten. Und dann sollte man ein wenig Geduld haben und nicht …

Druck machen

In Vorgespräch zu wichtigen Workshops nimmt sich der Chef oft vor, sich zurückzuhalten und seinen Leuten „wie ein Archäologe“ zuzuhören, um einerseits die Bedenken der Mitarbeiter zu erfahren und zu verstehen, andererseits auch ihre Ideen und Vorschläge für die Zukunft hören und schätzen zu können. Leichter gesagt als getan! Nicht nur einmal habe ich es in Workshops erlebt, dass der Chef nach dem ersten halben Tag plötzlich explodiert ist, alle Ideen und Bedenken vom Tisch gewischt hat und „die Lösung“ einfach präsentiert hat. Für uns Berater heißt das: Ok, kurze Pause, ein Gespräch mit dem Chef führen und danach fangen wir wieder von vorne an, Vertrauen aufzubauen. Kollektive Intelligenz braucht leider Zeit, um sich zu entwickeln, doch ist sie einmal angezapft, sind Dinge möglich, die Einzelpersonen NIEMALS geschafft hätten! Diese Ungeduld hängt auch eng mit dem nächsten Thema zusammen …

Besser als die anderen sein wollen

Ohje, jetzt wird es wirklich ungemütlich. Nun sind Sie Führungskraft, habe großen Erfolg in Ihrer Position und da ist es wohl legitim, der oder die Beste sein zu wollen! Doch das einzige, wo Sie wirklich besser sein sollten als Ihre Mitarbeiter, ist das Führen. Menschen in Expertenorganisationen werden das vielleicht nicht teilen, weil dort oft jene Personen in Führungspositionen kommen, die auch die besten Experten sind. Doch ich bleibe dabei: Entscheidend ist nicht, wer der Beste ist, sondern was das Beste für die Organisation ist. Und da kann eine Person, die sich „nur“ auf die Führung und Förderung der Talente in einem Bereich konzentriert, wertvoller sein, als eine weitere Fachmeinung. Und auch wenn ein junger Kollege Sie einmal links überholt, kann das für die Firma eine ganz tolle Chance sein. Doch da gibt es noch eine letzte nicht immer günstige Gewohnheit auf dieser Liste …

Die Lorbeeren für den Erfolg alleine genießen wollen

Wenn Sie wirklich gute, motivierte und eigenverantwortliche Mitarbeiter haben möchten, dann müssen Sie auf die Lorbeeren für jeden kleinen Erfolg verzichten! Wie verlockend ist es für einen Manager, den Erfolg für ein Riesenprojekt auf sein Konto zu buchen und wie demotivierend für einen vielleicht noch jungen Projektleiter, der durch das ständige Einmischen des Managers keine Möglichkeiten hat, seine Talente tatsächlich zu beweisen! Erst kürzlich erzählte mir ein Kunde in einer verantwortungsvollen Position in einem Konzern, dass er sich manchmal sehr beherrschen muss, nicht ins Rampenlicht von prestigeträchtigen Projekten zu springen und den Jungen den Vortritt zu lassen. Hochachtung! Das schafft nicht jeder.

Die Zusammenfassung lautet: Die Haltung gegenüber Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen entscheidet alles. Begegnen Sie ihnen auf Augenhöhe und lassen Sie sie gut werden, dann werden sie es auch sein. Behandeln Sie sie wie Kinder und halten Sie sie klein, dann werden Sie weiterhin nach großartigen Mitarbeitern suchen. Sie können wählen …

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

Herzlichst, Ihre Mira Maria Meiler

 

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#17 Drei Dinge, die ich in der Malerei über Change Prozesse gelernt habe

Haben Sie auch manchmal das Gefühl, dass Sie sich und Ihr Business täglich neu erfinden müssen? Hier eine neue Strategie aus dem Hut zaubern, dort neue agile Methoden einsetzen und am besten schon gestern wissen, was morgen zu tun ist?

So habe ich mich oft als Künstlerin gefühlt – voller Schöpferkraft, aber gleichzeitig auch ein wenig verloren in der Welt des Möglichen … Ich lebte und arbeitete eine Zeit lang an der Schnittstelle Kunst-Wirtschaft, leitete ein Atelier, malte Bilder und Auftragswerke und veranstaltete Kunst-Events für die Wirtschaft. Und ich habe dabei sehr viel über mich, das Leben und Veränderung gelernt. Drei Empfehlungen der Künstlerin in mir habe ich Ihnen heute mitgebracht:

1* Der erste Schritt ist entscheidend

Das größte Bild, das ich je gemalt habe, war 3,5mx2,5m groß. Der erste Pinselstrich auf der riesigen weißen Leinwand war aufregend, denn ich hatte absolut keine Ahnung, wie mir dieses Auftragswerk gelingen würde. Ich stand eine Weile vor dem überwältigenden Weiß und dann fing ich einfach an. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, wie viele teils beschwerliche Zwischenschritte und Anpassungen ich bis zur Vollendung des Werkes tun würde. Doch der Anfang war getan, der Bann war gebrochen.

Der erste Schritt ist auch bei Change Prozessen oft schwierig – wo anfangen und wo wird das alles hinführen? Es hilft nichts – Sie müssen ihn gehen, um es herauszufinden. Jetzt! Zu beachten wäre, dass die Schritte klein genug sind, dass sie von den Beteiligten auch verstanden und umgesetzt werden können und dennoch so groß, dass sie auch als Veränderung wahrgenommen werden!

2* Lernen Sie, Chaos zu lieben

Ich hatte manchmal einen sehr temperamentvollen Malstil und da konnte es passieren, dass ich ein halbfertiges Bild betrachtete und es grottenhässlich fand. Zu Beginn meiner Malerei litt ich in diesen Momenten, weil ich etwas „Hübsches“ produzieren wollte. Doch hübsch ist kein Qualitätskriterium für Kunst, schon gar nicht mitten im Malprozess. Hier darf es auch einmal unansehnlich werden, um schlussendlich zu einem interessanten Ergebnis zu kommen.

Leider gibt es auch hier eine Analogie zu einem Change Prozess – nämlich den Moment, wo das Alte sich schon verabschiedet und das Neue noch nicht wirkt. Reines Chaos! Dies ist oft der Zeitpunkt, wo der Auftraggeber in einem Change Projekt sagt: Warum tue ich mir das eigentlich an? Ich habe keine Lust mehr, mir ist das alles zu viel … Die gute Nachricht ist: Es geht vorbei. Die schlechte Nachricht ist: Das müssen Sie leider aushalten, wenn Sie wirklich etwas verändern wollen. Nachhaltige Veränderung braucht zwischendurch etwas Chaos und Irritation, sonst liegt die Vermutung nahe, dass es sich um rein ‚kosmetische‘ Veränderungen handelt.

3* Kommen Sie zu einem Ende

Bei einem Bild ist es oft schwierig, den Zeitpunkt zu erwischen, wo es ‚fertig‘ ist. Man tüftelt manchmal ewig an etwas herum, was seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. Einer meiner Mal-Lehrer intervenierte einmal heftig, als ich ein aus meiner Sicht unfertiges Bild weiter bearbeiten wollte: Stopp, Mira – lass es BITTE gut sein! Das Bild wurde kurz danach zu einem super Preis verkauft, weil es genau richtig war!

Bei Change Projekten besteht ebenfalls die Gefahr, dass man vor lauter Perfektion in der Vorbereitung und Planung nicht in die Umsetzung kommt. Natürlich ist es gut, neue Formen der Zusammenarbeit oder neue Strategien im Kleinen zu erproben, doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo die Masse in Bewegung kommen und das Neue mutig ausgerollt werden sollte …

Das war ein kleiner Ausflug in meine Künstlerwelt – mehr Geschichten und Empfehlungen finden Sie in meinem Buch ‚Emotionales Change Management‘, zu beziehen im Springer Verlag:
https://www.springer.com/de/book/9783662622100

Wenn Sie Fragen dazu haben, nehmen Sie gerne mit mir Kontakt auf.

#16 Mit Blut und Tränen durch den Wandel

Seit vielen Jahren beobachte ich, dass Emotionen in Veränderungsprojekten an der Tagesordnung sind und gleichzeitig alles versucht wird, diese unbemerkt zu lassen. Wandel lässt niemanden kalt – entweder man ist euphorisch und setzt alle Hebel in Bewegung, um etwas Neues ins Leben zu bringen oder man ist angepisst, dass schon wieder „eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird“. Dabei ist Veränderung auf rein biologischer Ebene etwas völlig Natürliches – unser Körper MUSS sich verändern, damit er weiterhin am Leben bleibt! In Organisationen hingegen scheinen Übergänge etwas Schmerzvolles zu sein. Warum wehren sich z.B. so viele Mitarbeiter gegen eine neue Ausrichtung, die ihnen langfristig eigentlich den Job sichern soll? Warum scheitern so viele Veränderungsprojekte an Widerständen, Ängsten und krampfhaftem Klammern an alten Werten?

Der Grund dafür liegt darin, dass Emotionen in der Wirtschaft noch immer nicht salonfähig sind.

Bei schwierigen privaten Ereignissen sitzen wir bald mit einem Freund oder einer Freundin zusammen und sagen: Ich verstehe, dass du traurig bist, weine dich aus und dann geht es dir besser! Bei großen Umbrüchen in Organisationen heißt es hingegen: Reiß dich zusammen! Oder: Du solltest resilienter werden, mach ein Seminar! Oder vielleicht auch: Wir verändern uns täglich, das ist agil!

Nein, ich mache mich nicht lustig. Angst, Schmerz, Freude, Lust, Abschied, Verzweiflung und Unsicherheit sind völlig normale Gefühle, wenn etwas Neues auf uns zukommt und sich langsam einnistet. Doch diese Gefühle als Führungskraft anzusprechen und den Mitarbeitern Mitgefühl zu geben, sind wir nicht gewohnt. Gleichzeitig braucht es gerade jetzt einen solchen Anker, wenn die Stürme der Veränderung um uns toben. Viele Führungskräfte können nicht „dableiben“, wenn die Menschen rundherum ängstlich, unsicher oder aggressiv werden. Dabei reicht oft die reine emotionale Präsenz – sie gibt Halt, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden gehört und verstanden. Und indem man eigene Emotionen zeigt, wird auch die Führungskraft selbst als Mensch wahr- und ernstgenommen. Sie müssen ja nicht gleich losheulen, aber zeigen Sie persönliche Betroffenheit oder Freude und vergessen Sie nicht:

Emotionen sind die wahren Blockaden oder Turbos für jede Art von Veränderung!

Wenn Sie etwas von sich preisgeben, wirken Sie authentisch und bekommen als Belohnung authentische Kollegen. Ich weiß, das ist viel verlangt: Einerseits sollen Sie in sich selbst ausreichend Stabilität finden, um mit den Turbulenzen des Alltags und den eigenen Emotionen sowie jenen der Mitarbeiter gelassen umzugehen. Andererseits verlangt diese Zeit auch nach neuen Formen der Zusammenarbeit – und das ist vielleicht die noch größere Herausforderung. Weg von der Konkurrenz, hin zu einem gesunden Miteinander, wo man sich gegenseitig fördert und die sogenannte kollektive Intelligenz einer Gruppe von Gleichgesinnten nutzt. In meinen Projekten ernte ich im ersten Moment immer noch Erstaunen, wenn ich vorschlage, dass sich Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen an einen (virtuellen) Tisch setzen und ihr Wissen auf den Tisch legen sollen.

Wissen = Macht dient der Gesellschaft nicht länger.

Wer wirklich etwas bewegen will in einer Organisation und vielleicht auch auf dem Planeten, braucht übergreifende Zusammenarbeit und Menschen, die bereitwillig ihr Wissen in einen Topf werfen. Und auch Menschen, die in Kontakt treten, die sich miteinander auseinandersetzen, vielleicht sogar streiten und dann wieder gemeinsam in eine bunte Zukunft blicken und gegenseitig begeistert voranbringen. Politisches Taktieren, Informationen zurückhalten und „cool“ wirken wollen sind mit Sicherheit schädlich für eine proaktive und innovative Führungs- und Unternehmenskultur.

Manche von Ihnen sagen jetzt vielleicht, dass ich „blauäugig“ bin (das bin ich ohnehin …). Doch ich glaube tatsächlich, dass dies ein sinnvoller Weg ist. Kein leichter vielleicht, aber ein sinnvoller. Manchmal ertappe auch ich mich noch bei der Überlegung, wem ich welches Wissen weitergebe oder ob und wem ich meinen Zorn oder meine Begeisterung zumuten darf. Doch mittlerweile bin ich alt genug, dass es mir mehr Freude macht, meine Erfahrungen, meine volle, emotionale Power und mein Know-how weiterzugeben, als es zu sammeln und zu horten. Mein Buch „Emotionales Change Management“ ist das beste Beispiel dafür: Lange dachte ich, dass ich ein reines Fachbuch schreiben müsse, um bei Führungskräften und auch in der Kollegenschaft anerkannt zu werden. Doch richtig gut wurde es erst, als ich sehr persönliche Geschichten und emotionale Beispiele in den Inhalt aufnahm. Es erscheint demnächst im Springer Verlag – hier ist der Link zum Buch.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine lustvolle und nicht allzu tränenreiche Wandlung, viel Kraft und einen positiven Blick in die Zukunft.

Mira Maria Meiler

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#15 Ohnmacht ist auch keine Lösung

Ich bin eine Macherin, Gestalterin, Change Managerin und Aus-dem-Boden-Stampferin … doch im Moment fühle ich immer wieder Ohnmacht und zwar in ihrer reinsten Form. Workshop mit dem Kunden in Köln? Nicht an diesem Tag, da geht coronabedingt kein Flug mehr! Lesung für mein neues Buch in der Innenstadt? Das machen wir nur online! Essen bei Freunden? Leider nicht, wir sind schon zu zehnt! Und so weiter und so fort. Bitte ergänzen Sie selbst ihre ganz persönlichen Situationen, wo Sie einfach ausgebremst werden …

Das Dumme ist – die Ohnmacht war mein bestimmendes Kindheitsgefühl, und deshalb mag ich sie nicht besonders. In Familien mit Suchtkrankheiten ist dieses Gefühl leider häufiger Begleiter, kann man die Betroffenen doch nie und nimmer retten, auch wenn man sich auf den Kopf stellt. Doch die gute Nachricht ist: Ich weiß, was zu tun ist, wenn Ohnmachtsgefühle auftreten. Ich suche – wenn es sein muss, auch mit der Lupe – nach einem Handlungsspielraum. Und ich bin tatsächlich überzeugt: Es gibt immer einen Handlungsspielraum! Wenn Sie mir nicht glauben, lesen Sie das Buch „Trotzdem ja zum Leben sagen“ von Viktor Frankl. Er hat allein dadurch, dass er seine Einstellung zum Leben geändert hat, das Konzentrationslager überlebt.

Auch wenn wir von dieser Geschichte schon weit entfernt sind, vermute ich, dass ich derzeit nicht die einzige Person in der Wirtschaft bin, die Ohnmachtsgefühle hat. Führungskräfte sind ja schon allein kraft ihrer Position gestalterische Wesen und ich unterstelle, dass die meisten auch wirklich etwas bewegen wollen und Macht ausüben wollen. Oh Gott! Schon wieder so ein Unwort!

Ja, ich mag Macht!

Mit Macht kann man etwas bewegen und je mehr Menschen hinter einem stehen, desto mehr kann man bewegen. Die Macht der Menge ist bei Change Projekten etwas sehr wichtiges – wir brauchen die kritische Masse, die zu einem neuen Ufer aufbricht (wie die Pinguine in John Kotters Büchlein „Das Pinguin-Prinzip“), um jene zum Mitschwimmen zu bewegen, die Neuem gegenüber skeptisch sind.

Doch zurück zur Lupe. Sehen Sie doch einmal genau hin: Wo in Ihrem Umfeld können Sie etwas bewegen? Mit wem könnten Sie sich zusammentun, weil er oder sie ähnlich tickt wie Sie? Was haben Sie bisher nicht getan, weil Sie sich gedacht haben: Das is ja nix! Doch! Oft starten große Veränderungen mit einem kleinen Schritt und dann der nächste kleine Schritt und … dann baut sich langsam eine große Welle auf.

Viele Menschen wissen gar nicht, wozu sie fähig sind. Sie hypnotisieren das Problem und lernen es so sehr lieben, dass sie es nicht mehr missen wollen. Ein kleiner Blick links oder rechts könnte jedoch bereits eine Mini-Lösung sein. Ich selbst habe mich z.B. lange gewehrt (ups, ich bin auch nicht mehr die Jüngste!), mich auf Social Media zu vermarkten und gewartet, bis wieder „echtes“ Networking möglich ist. Hm, sieht im Moment nicht gut aus und so fange ich langsam an, mich spielerisch der Materie zu näheren und ich merke, es macht sogar Spaß! Also – es könnte sein, dass Sie in Zukunft öfter von mir lesen …

Liebe Menschen da draußen und v.a. liebe Führungskräfte, bitte gestaltet weiter und gebt nicht auf, die Wirtschaftswelt zu einem gleichzeitig erfolgreichen und menschenfreundlichen Platz zu machen. Wenn einer oder eine von Ihnen dabei Unterstützung braucht – I’ll be there!

Herzliche Grüße,

Mira Meiler

#14 Nachhaltiger Wandel oder von der Couch zum Marathon

In meinen Zwanzigern hatte ich nicht immer einen gesunden Lebenswandel – ich arbeitete viel, genoss Essen und Trinken und die einzige Bewegung, die ich machte, war Spazierengehen am Wochenende. Dann kam ich auf die Idee, dass Laufen vielleicht gut für mich wäre und kaufte mir prompt ein Paar neue Laufschuhe. Doch niemand hatte mir gesagt, wie schrecklich anstrengend die ersten gelaufenen Meter sein würden: Nach 15 Minuten war ich völlig erledigt, ging nach Hause und legte mich für den Rest des Tages auf die Couch.

Ein paar Tage später versuchte ich es erneut und nach einiger Zeit zog ich mir tatsächlich 2-3-mal die Woche tapfer meine Laufschuhe an, verlängerte langsam meine Laufstrecken, achtete auf regelmäßige Atmung und traute mir mehr und mehr zu. Ein Jahr später begann ich mit einem Trainingsplan für einen Halbmarathon und schließlich spornte mich ein Freund sogar an, mit ihm den Wien-Marathon zu laufen. Und was soll ich sagen: Ich habe es tatsächlich geschafft, ihn durchzulaufen!

Mit diesem Programm vollzog ich einen nachhaltigen Wandel in meinem Leben und drei Aspekte davon sind auch Erfolgsfaktoren für Change Projekte:

  1. Die schonungslose Analyse des Status quo – nach 15 Minuten wusste ich, dass meine Ausdauer auf einer Skala von 1-10 quasi bei 0,1 war
  2. Über die Anfangsschmerzen hinaus dran bleiben bis erste Erfolge spürbar werden und langsam etwas Spaß hineinkommt
  3. Mit einem guten Trainingspartner bzw. einem Team von Gleichgesinnten kommt man weiter als allein

Gerade jetzt wollen viele Organisationen einen nachhaltigen Wandel, doch an vielen Stellen gleichen die Versuche eher einem kurzen Sprint, ohne vorher die Richtung genau zu bestimmen. Aktionismus kann manchmal helfen, um einfach einmal in die Gänge zu kommen oder auch um zu erfahren, was NICHT funktioniert, doch bei komplexen und längerfristigen Veränderungen ist er meistens kontraproduktiv. Wenn ich zu Beginn meiner Laufambitionen sofort sehr schnell gelaufen wäre, hätte ich mich vermutlich so überfordert, dass ich mein neues Hobby wieder aufgegeben hätte. Und genau das passiert immer wieder in Veränderungsprojekten: Nach großem Enthusiasmus zu Beginn erkennen die Betroffenen, dass der Wandel doch einigermaßen anstrengend ist und dann gibt es niemanden, der sich den unbequemen Hut des konsequenten Nachhaltens aufsetzen möchte.

Manchmal verlaufen Change Projekte auch im Sand, weil zu wenig ehrlich hingesehen wird, wo die Menschen in der Organisation stehen oder sie erst sehr spät in die Zielsetzung und die Umsetzung eingebunden werden. Menschen bewegen sich umso lieber in eine neue Richtung, je besser sie verstehen, worum es in einem Wandel geht und je mehr persönlichen Mehrwert sie dadurch haben. Klare Kommunikation und Mitbestimmung bei der Art und Weise, wie ein Change Prozess umgesetzt wird, haben hier eine große Hebelwirkung, werden aber oft nicht berücksichtigt. Also zurück zu den Erfolgskriterien: Ehrlich hinschauen, erste Schritte machen, Mitstreiter finden und dann dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben!

Das Laufen ist übrigens zu einer Lebensader von mir geworden – wenn ich zu wenig laufe, dann „läuft“ mein Leben nicht rund und gerade in Zeiten wie diesen bringt das Laufen gute Stimmung und ein starkes Immunsystem. In diesem Sinne – viel Spaß bei neuen Gewohnheiten und wenn Sie Unterstützung brauchen, um sicher durch den Wandel zu „laufen“, dann sehen Sie sich gerne auf folgender Seite um: Change Coaching

Herzliche Grüße,

Mira Meiler

#13 Kontakt & Kohle – Wirtschaften mit Hirn & Herz

Als ich vor mittlerweile 20 Jahren meine erste Systemische Ausbildung begann, sollten wir unsere Erwartungen an die Ausbildung auf ein Flipchart malen. Auf dem Bild sehen Sie das Ergebnis! Ich befand mich zum damaligen Zeitpunkt sehr auf der „blauen“ Seite und definierte mich fast ausschließlich über Leistung und finanziellen Erfolg. Persönliche Beziehungen mussten oft warten und der Erfolg meines Unternehmens stand an oberster Stelle. Allerdings hatte ich trotz meiner Jugend bereits chronische Magenschmerzen und mir schwante, dass es neben guten Zahlen und Arbeiten am Wochenende auch noch etwas anderes geben könnte … irgendetwas, das mit dem Herzen zu tun hatte und das wollte ich erforschen.

Ich denke, dass diese zwei einfachen Symbole viel darüber sagen, was Führungskräfte in der Wirtschaft heute bewegt – auf der einen Seite das intelligente Wesen Mensch mit all seinem Wissen, den technischen Errungenschaften, der Fähigkeit, weltweit Geschäfte zu machen und dem durchaus berechtigtem Streben nach Erfolg und „Kohle“. Und auf der anderen Seite der Mensch als Teil der Natur (erinnern Sie sich?) mit seinen gewaltigen intuitiven und schöpferischen Fähigkeiten, der natürlichen Bereitschaft zu Geburt, Wachstum und Veränderung, aber auch mit dem Bedürfnis nach einer angenehmen Umwelt und sozialem Kontakt.

Wie geht das zusammen?

Menschen, die sich gerne um soziale und nachhaltige Werte in der Wirtschaft kümmern, sind oft bescheiden. Und gilt auch der Umkehrschluss – Menschen, die sehr profitorientiert sind, interessieren sich kaum für dieses „soziale Gedöns“? Ich will das nicht glauben. Zu oft habe ich in Change Projekten und auch als Unternehmerin erlebt, dass finanzieller Erfolg und freudvolle Zusammenarbeit gute Partner sein können. Wenn Hirn und Herz zusammenspielen, ist Vieles möglich. Wenn eines von beidem fehlt, wird es schwierig. Meine Arbeit kann ich z.B. nur mit Hirn UND Herz machen und zur Abrundung noch eine gehörige Portion Hausverstand, um immer am Boden der Tatsachen zu bleiben und nicht zu große Schritte auf einmal zu tun.

Doch das habe ich nicht von heute auf morgen gelernt, sondern in einem ehrlich gesagt mühevollem Prozess. Ich musste lernen, den vielen intellektuellen Konzepten über Change Management eine aufrichtige Liebe zu den Menschen zur Seite zu stellen und damit meinen großen Ängsten vor echtem Kontakt zu meiner Umwelt ins Auge zu sehen. Vielleicht muss auch die Wirtschaft erst lernen, das Herz zuzulassen, um zu einem „Wirtschaften mit Hirn und Herz“ zu gelangen? Das Herz strebt dabei nach einem wertschätzenden Miteinander, nach sinnvollen Zielen und authentischer Arbeitsweise.

In Kontakt mit anderen zu sein, ist heilsam. Jeder Mensch wünscht sich Aufmerksamkeit und Zugehörigkeit – auch der Top-Manager und auch die Top-Beraterin. Hohe Leistungsbereitschaft und Commitment zur Sache und ein großes Herz sind kein Widerspruch und – so bin ich immer mehr überzeugt – eine gute Basis für unser aller Zukunft!

Einen erfolgreichen und schönen Tag wünscht Ihnen

Mira Meiler

#12 Über positive Netzwerke und chronische Raunzer

Gerade schreibe ich in meinem Buch darüber, wie wichtig eine ehrliche Standortbestimmung zu Beginn eines Projekts ist. Denn ohne zu wissen, wo man genau steht, ist es schwierig, eine neue Richtung einzuschlagen! Diese Standortbestimmung bezieht sich üblicherweise auf verschiedene Aspekte in der Organisation wie die strategische Ausrichtung, die vorhandenen Strukturen und die Kultur der Zusammenarbeit, doch ebenso können Sie auch die Menschen in Ihrer Umgebung einbeziehen. Denn bezüglich Haltung gegenüber Change gibt es meist sehr große Unterschiede und dementsprechend werden die Kollegen einen Aufbruch in eine neue Richtung eher fördern oder eher behindern.

In meiner Herkunftsfamilie musste ich lernen, dass nicht jeder Mensch einen Musterbruch will und selbst wenn er schädliche Verhaltensweisen verändern möchte, es vielleicht nicht schafft. Es ist verlockend, sehr viel Energie aufzuwenden, diese Menschen zu „bekehren“, doch manchmal muss man akzeptieren, dass sich selbst geliebte Menschen für einen anderen Weg entscheiden und man sie ein Stück zurücklassen muss, um seinen eigenen weitergehen zu können.

Das ist schwierig zu akzeptieren, doch in abgeschwächter Form auch ein häufiges Phänomen in Organisationen. Nicht nur einmal habe ich in Veränderungsprojekten erlebt, dass Personen nachhaltig an ihrer Position gehalten wurden, obwohl es bereits offensichtlich war, dass sie zum neuen Kurs nicht mehr dazupassen. In manchen Fällen werden sogar ganze Organigramme rund um eine neuralgische Person gebaut. Ich stelle dann immer die Frage: Angenommen, diese Person würde plötzlich nach Australien reisen und aus unbekannten Gründen nie mehr wiederkommen – wie würde Sie das Organigramm dann gestalten? Meist erhellt sich dann das Gesicht des Gegenübers und er oder sie weiß genau, wie die im Moment oder für die Zukunft passende Struktur idealerweise aussehen würde. So ein kleines Gedankenexperiment kann viel bewirken …

Sie werden nie alle auf die Reise mitnehmen können und es kostet sehr viel Energie, die Menschen mit dem größten Widerstand gegen eine Veränderung zu gewinnen. Vielmehr ist es zu empfehlen, sich auf jene Personen zu fokussieren, die mit Ihnen gehen wollen. Sehen Sie sich in der Organisation um und finden Sie heraus, wer Ihre positiven Verstärker sind! Es sind jene Menschen, die proaktiv an die Arbeit gehen, ihr Wissen gerne teilen, ein offenes Herz haben und neugierig auf Veränderungen sind. Kim Cameron spricht in seinem Buch „Positive Leadership“ über Energizer und De-Energizer. Während die Energizer hauptsächlich Möglichkeiten sehen, eine wertschätzende Sprache benutzen, verlässlich und fröhlich sind, richten die De-Energizer ihr Augenmerk hauptsächlich auf die Probleme, die Vergangenheit und sich selbst. Doch bitte suchen Sie nicht nach „reinrassigen“ Energizern! Jeder Mensch trägt immer beide Aspekte in sich und auch der kritische Blick eines De-Energizers kann manchmal hilfreich sein. Entscheidend ist die grundsätzlich positive Einstellung.

Oft höre ich an dieser Stelle: Was mache ich, wenn mein Chef der größte Widersacher ist? Das ist zugegeben schwierig, denn Veränderungen sind natürlich viel leichter umzusetzen, wenn das Top Management dahintersteht. Doch auch hier ist es einen Versuch wert, rund um den Chef oder die Chefin herum eine positive und kreative Veränderungskultur aufzubauen, sodass er oder sie irgendwann schlicht und einfach neugierig wird, welche Optionen es neben seinen eigenen noch geben könnte.

Geben Sie nicht auf, seien Sie frech und vernetzen Sie sich mit Menschen, die Sie interessieren, auch wenn Sie scheinbar unerreichbar sind. Denn: Was kann denn passieren, außer dass die Person nicht reagiert? Doch was passiert, wenn sie es doch tut? Ein positives Netzwerk ist 100%-ig ein Boost für Ihre Karriere, Ihre Organisation und im Übrigen auch für Ihr Wohlbefinden.

Viel Spaß dabei und herzliche Grüße,

Mira Meiler

#11 Das Auge im Wirbelsturm des Wandels

Unlängst war ich mit meiner Kollegin und Freundin Alexandra Haring eine Runde im Wind spazieren. Natürlich sprachen wir auch darüber, wie es uns in diesen stürmischen Zeiten des Wandels geht und welche Hilfsmittel wir verwenden, um immer wieder zur Ruhe zu kommen und eine klare Ausrichtung zu gewinnen. Nun ist Alexandra neben Ihrer Beratertätigkeit auch Achtsamkeitslehrerin und hat mir einiges voraus punkto Übungsanleitungen, wie man so schnell wie möglich ins Hier und Jetzt, also ins „Auge des Wirbelsturms“ gelangt, wo man wieder klar denken kann.

Alexandra: Achtsamkeit hilft grundsätzlich dabei, Klarheit zu gewinnen und herauszufinden, wie es mir jetzt gerade wirklich geht. Weg von dem „Ich würde ja gerne …“ oder „Eigentlich sollte ich gerade …“ usw. hin zu dem, was tatsächlich ist. Weg von den starken Beeinflussungen von außen hin zu mir selbst und meiner eigenen Wahrheit. Es gibt eine Position, wo ich mich selbst und meine Situation mit etwas Abstand ansehen und dann entscheiden kann, wie ich agieren möchte. Dort bin ich in der Lage, zu wählen, was ich zu mir lasse vom Umfeld und was ich vorerst bei Seite stelle. D.h. ich lerne, den Automatismus wahrzunehmen, den jeder von uns seit Jahrzehnten betreibt.

Während ich ihr zuhöre, wird mir wieder einmal bewusst, wie wahnsinnig wichtig eine ruhige und klare innere Ausrichtung in einer Veränderung ist. Denn mit Automatismen geht Change nicht. Auch in den Organisationen „zwingen“ wir zu Beginn eines Projektes den Auftraggeber und dann einen größeren Kreis der Belegschaft, auf sich selbst hinzusehen und herauszufinden, wie das Unternehmen wirklich tickt. So wie man beim Tauchen zuerst ausatmen muss, um unter die Oberfläche schauen zu können, kann Achtsamkeit unterstützen, die verborgenen Elemente des „Eisbergs“ einer Organisation anzusehen. Dadurch bekommt man jenseits der gut sichtbaren wirtschaftlichen Themen und Strukturen (der Spitze des Eisbergs) ein vollständiges Bild mit den darunter liegenden Emotionen, Werten und Traditionen. Gerade am Anfang eines Veränderungsprozesses ist es also wichtig, durch Interviews sowie wiederkehrende Reflexion in Workshops immer wieder in die Tiefen der Organisation abzutauchen um rechtzeitig Kurskorrekturen zu machen.

Alexandra: Durch die Beschäftigung mit Achtsamkeit habe ich das erste Mal in meinem Leben begriffen, dass ich mich zuerst so annehmen muss wie ich bin und erst dann gute Entscheidungen treffen kann.

Wie wertvoll wäre diese Haltung für viele Führungskräfte! Eine bessere Verbindung zu sich selbst bringt auch eine bessere Verbindung zu den Mitarbeitern und je klarer der Kontakt, desto einfacher und sorgfältiger können Entscheidungen getroffen werden. Und schließlich bringt es auch den Mitarbeitern einen großen Vorteil: Sie werden jenseits von ihrer Rolle und Aufgaben als Mensch wahrgenommen und das fördert das Wir-Gefühl und die Freude an der Arbeit ganz enorm.

Also, probieren Sie es gleich aus: Suchen Sie sich einen ruhigen Platz und hören Sie sich die kurze Achtsamkeitsübung an, die Alexandra für Sie aufgenommen hat:

 

 

Viel Freude damit und bis zum nächsten Mal!

Alexandra Haring & Mira Meiler

#10 Die eierlegende Wollmilchsau hat ausgedient

Süß ist sie schon, die eierlegende Wollmilchsau und es ist so verlockend, sie immer wieder aus dem Regal zu holen und muhen, gackern, blöken und oinken zu lassen. Kein Scherz, dieses Ding kann das! Es war ein Geschenk von einem Schweizer Kooperationspartner als Symbol dafür, dass die meisten Kunden genau das wollen und sicher nicht kriegen! Denn weder wir Berater noch unsere sehr geschätzten Kunden sind Wunderwuzzis und werden es auch nie sein.

Unlängst (also vor Corona) moderierte ich einen Strategieentwicklungs-Workshop gemeinsam mit einem Kollegen und nach einer umfassenden Analyse der aktuellen Situation hatte die Gruppe auf mehreren Flipcharts insgesamt ca. 10 mögliche strategische Stoßrichtungen formuliert. Nun ging es ans Priorisieren und das wurde ein sehr intensiver Prozess. Die Teilnehmer versuchten nämlich sehr geschickt, alles hoch zu priorisieren, sodass sie möglichst nichts weglassen müssen. Doch alle 10 Stoßrichtungen zu verfolgen, war aus zeitlichen, finanziellen und personellen Gründen völlig unmöglich! Nach längeren Diskussionen stellte sich heraus, dass das Weglassen in dieser Organisation irgendwie ein Tabu zu sein scheint und grundsätzlich alles Neue „on top“ passieren muss.

Wer von Ihnen kennt das? Oder besser: Wer kennt das nicht? Es ist eine völlig gängige Vorgangsweise, dass neue Strategien immer zusätzlich zu den alten ins Leben gerufen werden – frei nach dem Motto: Ok, liebes Schwein, sei jetzt auch eine Kuh und gib mir Milch! Und zwei Monate später erwarte ich das Eier legen usw … Selbst durchaus Multitasking-fähige Mitarbeiter und vielleicht noch mehr die Mitarbeiterinnen können da nicht mehr mit und erleben mindestens ein Motivationstief und im schlimmsten Fall ein Burnout ihrer Kräfte und Krankheit. Dabei sind auch Top-Führungskräfte nicht davor gefeit, in die Ich-schaffe-alles-Falle zu tappen. Manchmal wirkt es so, als hätten sie Angst, dass achtsames Priorisieren als Schwäche ausgelegt werden könnte. Doch wie Studien belegen, sind die beliebtesten Manager jene, die zwar freundlich zu den Menschen sind, doch konsequent in der Sache und sich nicht scheuen, harte Schnitte zu machen und diese durchzuziehen.

Selbstverständlich versuche ich mich selbst auch immer wieder an diesem vielseitigen, Milch und Eier liefernden Dingsda – als Beraterin ständig unterwegs, Häuslbauen am Land, den Kindern beim Lernen helfen, Weiterbildung in der Schweiz, zwischendurch ein Buch schreiben und fein Essen gehen mit Freunden und dann natürlich noch Laufen für die gute Figur und ganz in Ruhe ein Buch lesen ….uahhhh! Was lass ich jetzt weg? Im Zweifelsfall natürlich das Putzen! Aber im Ernst. De-Priorisieren ist eine hohe Kunst, die nicht viele engagierte Menschen können. Zuerst braucht es Entscheidung, Mut und Intuition und danach absolute Konsequenz im Durchhalten der getroffenen Wahl.

Probieren Sie es aus – machen Sie z.B. jetzt gleich eine Liste von möglichen Strategien, wie Sie Ihr Geschäft nach den Corona-Einschränkungen weiterführen könnten (Querdenken erlaubt!) und dann streichen Sie als erstes das durch, was Sie ganz sicher nicht machen werden (Wenn Sie nichts ausschließen wollen, dann streichen Sie das am wenigsten Wahrscheinliche!). Erst danach dürfen Sie bei den verbliebenen Punkte priorisieren und reihen. Das gleiche geht natürlich auch mit einer simplen To-do-Liste. Es könnte eine erleichternde Erfahrung werden …

Ich sende Ihnen einen herzlichen Gruß und bis bald!

Mira Meiler